Bush: Mr. Gusenbauer, ich protestiere wegen dieses unter Freunden völlig unverständlichen Akts im Namen des amerikanischen Volkes auf das ganz Entschiedenste.
Gusenbauer: Mr. President, seien Sie versichert, dass
mir das alles äußerst unangenehm ist. Nicht, dass ich mich
vor meiner Verantwortung drücken möchte, aber ganz
Österreich ist mein Zeuge, dass ich vor dem Kauf dieser
blöden Eurofighter immer gewarnt habe. Ich habe schon immer
ein untrügliches Gespür für kommende Scherereien besessen.
Gott sei Dank hat wenigstens der Schleudersitz Ihrer
Maschine funktioniert und der Pilot ist pumperlgsund. Das
Flugzeug lässt sich ersetzen.
Bush: Bei dem Verschleiß an Maschinen, den wir
derzeit haben, geht es mir nicht um ein Flugzeug mehr oder
weniger, sondern ums Prinzip.
Gusenbauer: Verstehe ich natürlich. Aber es lässt
sich nicht leugnen, dass Ihre Maschine unbefugt in unseren
Luftraum eingedrungen ist. Und außerdem schwört unser Pilot
Stein und Bein, dass er Ihren Überflieger zur Landung
aufgefordert hat. Hätte ja eine Terrorattacke sein können.
Bush: Aber wir sind doch früher auch immer in Ihren
Luftraum eingedrungen, ohne deswegen irgendwelche Zores zu
haben.
Gusenbauer: Da haben wir auch noch kein Fluggerät
gehabt, das schnell genug gewesen wäre, Ihre Maschinen zu
verfolgen. Und früher hat es auch noch keine Terrorhysterie
gegeben. Da konnte man ja auch noch ohne besondere
Spompanadeln in die USA einreisen. Außerdem waren früher
Ihre Flieger feinfühlig genug, nur in der Nacht über
Österreich zu fliegen, sodass wir guten Gewissens sagen
konnten, dass wir nichts bemerkt haben. Aber Ihr gestriger
Flieger ist ja mitten am helllichten Vormittag gekommen –
den haben wir beim besten Willen nicht ignorieren können.
Bush: Meine Botschafterin sagt mir, dass Ihre
Regierung vor einiger Zeit verfügt hat, die Entscheidung
über einen Abschuss dem Piloten zu überlassen. In
Friedenszeiten ist das doch völlig undiskutabel.
Gusenbauer: Mit Verlaub, Georgie, aber gerade das
finde ich nicht. Wir haben uns diese Entscheidung in der
Koalition gewiss nicht leicht gemacht. Und ausnahmsweise
waren wir uns völlig einig. Politiker neigen ja generell zu
Allmachtsfantasien und dazu, sich in alles einzumischen. Da
sollte wenigstens eine Entscheidung über Leben und Tod dort
getroffen werden, wo die besten Informationen zur Verfügung
stehen. Und das ist halt die Flugzeugkanzel und nicht ein
Ministerbüro. Sie waren ja selbst einmal Flieger. Außerdem
haben wir ein doppeltes Sicherheitssystem eingebaut. Unsere
Piloten sind per Dienstordnung ausdrücklich angewiesen, vor
einer Abschussentscheidung alle Pros und Contras
sorgfältigst und peinlich genau abzuwägen. Über diesen
Vorgang müssen sie auch ein Protokoll erstellen. Darüber
hinaus müssen sich alle angehenden Piloten einem
strategischen Intelligenztest unterziehen, um wirklich alle
Risken auszuschließen.
Bush: Der Test interessiert mich. Strategische
Intelligenz ist bekanntlich ein besonderes Steckenpferd von
mir.
Gusenbauer: Den Test haben wir extra von unserem
Hauspsychologen entwickeln lassen. Hat ein Schweinegeld
gekostet, aber wir in der Regierung finden, dass er jeden
Cent wert ist. Ist eigentlich ganz watscheneinfach. Wir
laden jeden Kandidaten für ein Eurofighter-Cockpit ins
Casino ein und filmen ihn dort mit versteckter Kamera. Wenn
er seine Jetons nur auf Rot oder Schwarz setzt, so ist das
ein klares Indiz für strategische Intelligenz und für seine
Fähigkeit, unnötige Risken zu vermeiden.
Bush: Well, erstens sind Casinos ein Werk des Satans,
und zweitens hat der Test ja bei eurem Piloten gestern nicht
funktioniert.
Gusenbauer: Sure. Einen hundertprozentig
zuverlässigen Test gibt es halt nicht. Aber immerhin haben
uns die Piloten der vierzehn anderen Eurofighter bisher in
der Luft noch in keine Kalamitäten hineingeritten. Ich bin
daher der Meinung, dass sich diese Trefferquote durchaus
sehen lassen kann.
Bush: Ich hoffe wenigstens, dass Sie Ihren
Eurofighter-Unglücksraben entsprechend zur Rechenschaft
ziehen werden.
Gusenbauer: Werden wir im Rahmen unserer
Möglichkeiten sicher tun. Allerdings müssen wir schon auch
auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen. Ein
kampferprobtes Kleinformat hat gestern eine interessante
Umfrage veröffentlicht. Die meisten Österreicher hätten sich
demnach gewünscht, dass unser Pilot einen tschechischen
Kampfjet abgeschossen hätte – sozusagen als Revanche für
Temelín. Da wäre uns wahrscheinlich gar nichts anders übrig
geblieben, als dem Piloten einen Orden zu verleihen. So
schlecht ist das Image der USA Gott sei Dank noch nicht.
Aber ehrlich gesagt, viel fehlt nicht mehr.
Bush: My dear Alfred, das kommt nur davon, dass die
österreichische Regierung zu wenig amerikafreundlich ist.
Gusenbauer: Was mich persönlich betrifft, habe ich in
der Frage ein völlig reines Ge- wissen. Ich habe erst
unlängst einen Landsmann von Ihnen – der Name wird Ihnen
wenig sagen – als Staatsoperndirektor vorgeschlagen. Aber
meine eigene Ministerin hat mich, unterstützt von einigen
Medien, im Regen stehen gelassen. Es ist traurig, aber wahr:
Österreich ist auf dem besten Weg in die Unregierbarkeit.
Bush: Aber Sie müssen doch wenigstens eine
funktionierende chain of command haben. Es ist für mich
unvorstellbar, dass der Chef Ihrer Luftwaffe nicht
eingeschaltet gewesen ist.
Gusenbauer: Unser Air-Chief ist leider gerade in
gröberen Turbulenzen und vom Dienst suspendiert. Eine blöde
Geschichte, aber damit will ich Sie nicht behelligen.
Bush: Und Ihr Verteidigungsminister?
Gusenbauer: Im Landesverteidigungsrat hat es
ernsthafte Stimmen gegeben, dass der Verteidigungsminister
oder der Innenminister die letzte Entscheidung treffen
müssen. Haben sich aber nicht durchgesetzt. Der
Verteidigungsminister hat gleich abgewunken mit dem Hinweis
auf seinen Zivildienst, und der Innenminister hat dann halt
auch nicht wollen. Reine Retourkutsche. Wie es in einer
großen Koalition zugeht, kann sich ein amerikanischer
Präsident ja gar nicht vorstellen. In Ihrer Regierung singen
alle einfach „Hail to the chief“ – würde ich auch einmal
gerne erleben.
Bush: Alfred, das ist doch nicht möglich, dass Sie
einen Zivildiener als Verteidigungsminister haben? Der muss
doch furchtbar unbeliebt bei der Truppe sein?
Gusenbauer: Stört uns aber gar nicht. Er zitiert
immer einen früheren römischen Kaiser: „Die Menschen sollen
mich ruhig hassen, solange sie mich nur fürchten.“
Bush (lacht): Mein alter Kumpel Silvio wie er leibt
und lebt.
Gusenbauer: Ist nicht von Berlusconi, sondern von
Caligula .
Bush: Nie von dem gehört. Aber ein amerikanischer
Präsident kann nicht alle tollen Italiener kennen. Senden
Sie mir doch bitte das Zitat mit genauer Quellenangabe. Kann
ich wahrscheinlich noch einmal brauchen.
Gusenbauer: Stets zu Diensten, Georgie!
DDr. Bernhard Görg war Top-Manager, 1992–2002 Obmann der ÖVP Wien und 1996–2001 Vizebürgermeister und amtsführender Stadtrat für Planung und Zukunft.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2007