Anekdote auf Österreich - USA

Nestroy lässt grüßen

 

GASTKOMMENTAR VON BERNHARD GÖRG (Die Presse) "Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2007

http://www.diepresse.at/home/meinung/gastkommentar/319610/index.do

 

Ein unangenehmer Anruf

 

(Präsident Bush, dem gerade mitgeteilt worden ist, dass ein österreichischer Eurofighter einen amerikanischen Kampfjet über österreichischem Luftraum abgeschossen hat, ruft erbost Bundeskanzler Gusenbauer an.)

 

Bush: Mr. Gusenbauer, ich protestiere wegen dieses unter Freunden völlig unverständlichen Akts im Namen des amerikanischen Volkes auf das ganz Entschiedenste.


Gusenbauer: Mr. President, seien Sie versichert, dass mir das alles äußerst unangenehm ist. Nicht, dass ich mich vor meiner Verantwortung drücken möchte, aber ganz Österreich ist mein Zeuge, dass ich vor dem Kauf dieser blöden Eurofighter immer gewarnt habe. Ich habe schon immer ein untrügliches Gespür für kommende Scherereien besessen. Gott sei Dank hat wenigstens der Schleudersitz Ihrer Maschine funktioniert und der Pilot ist pumperlgsund. Das Flugzeug lässt sich ersetzen.


Bush: Bei dem Verschleiß an Maschinen, den wir derzeit haben, geht es mir nicht um ein Flugzeug mehr oder weniger, sondern ums Prinzip.


Gusenbauer: Verstehe ich natürlich. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass Ihre Maschine unbefugt in unseren Luftraum eingedrungen ist. Und außerdem schwört unser Pilot Stein und Bein, dass er Ihren Überflieger zur Landung aufgefordert hat. Hätte ja eine Terrorattacke sein können.


Bush: Aber wir sind doch früher auch immer in Ihren Luftraum eingedrungen, ohne deswegen irgendwelche Zores zu haben.


Gusenbauer: Da haben wir auch noch kein Fluggerät gehabt, das schnell genug gewesen wäre, Ihre Maschinen zu verfolgen. Und früher hat es auch noch keine Terrorhysterie gegeben. Da konnte man ja auch noch ohne besondere Spompanadeln in die USA einreisen. Außerdem waren früher Ihre Flieger feinfühlig genug, nur in der Nacht über Österreich zu fliegen, sodass wir guten Gewissens sagen konnten, dass wir nichts bemerkt haben. Aber Ihr gestriger Flieger ist ja mitten am helllichten Vormittag gekommen – den haben wir beim besten Willen nicht ignorieren können.


Bush: Meine Botschafterin sagt mir, dass Ihre Regierung vor einiger Zeit verfügt hat, die Entscheidung über einen Abschuss dem Piloten zu überlassen. In Friedenszeiten ist das doch völlig undiskutabel.


Gusenbauer: Mit Verlaub, Georgie, aber gerade das finde ich nicht. Wir haben uns diese Entscheidung in der Koalition gewiss nicht leicht gemacht. Und ausnahmsweise waren wir uns völlig einig. Politiker neigen ja generell zu Allmachtsfantasien und dazu, sich in alles einzumischen. Da sollte wenigstens eine Entscheidung über Leben und Tod dort getroffen werden, wo die besten Informationen zur Verfügung stehen. Und das ist halt die Flugzeugkanzel und nicht ein Ministerbüro. Sie waren ja selbst einmal Flieger. Außerdem haben wir ein doppeltes Sicherheitssystem eingebaut. Unsere Piloten sind per Dienstordnung ausdrücklich angewiesen, vor einer Abschussentscheidung alle Pros und Contras sorgfältigst und peinlich genau abzuwägen. Über diesen Vorgang müssen sie auch ein Protokoll erstellen. Darüber hinaus müssen sich alle angehenden Piloten einem strategischen Intelligenztest unterziehen, um wirklich alle Risken auszuschließen.


Bush: Der Test interessiert mich. Strategische Intelligenz ist bekanntlich ein besonderes Steckenpferd von mir.


Gusenbauer: Den Test haben wir extra von unserem Hauspsychologen entwickeln lassen. Hat ein Schweinegeld gekostet, aber wir in der Regierung finden, dass er jeden Cent wert ist. Ist eigentlich ganz watscheneinfach. Wir laden jeden Kandidaten für ein Eurofighter-Cockpit ins Casino ein und filmen ihn dort mit versteckter Kamera. Wenn er seine Jetons nur auf Rot oder Schwarz setzt, so ist das ein klares Indiz für strategische Intelligenz und für seine Fähigkeit, unnötige Risken zu vermeiden.


Bush: Well, erstens sind Casinos ein Werk des Satans, und zweitens hat der Test ja bei eurem Piloten gestern nicht funktioniert.


Gusenbauer: Sure. Einen hundertprozentig zuverlässigen Test gibt es halt nicht. Aber immerhin haben uns die Piloten der vierzehn anderen Eurofighter bisher in der Luft noch in keine Kalamitäten hineingeritten. Ich bin daher der Meinung, dass sich diese Trefferquote durchaus sehen lassen kann.


Bush: Ich hoffe wenigstens, dass Sie Ihren Eurofighter-Unglücksraben entsprechend zur Rechenschaft ziehen werden.


Gusenbauer: Werden wir im Rahmen unserer Möglichkeiten sicher tun. Allerdings müssen wir schon auch auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen. Ein kampferprobtes Kleinformat hat gestern eine interessante Umfrage veröffentlicht. Die meisten Österreicher hätten sich demnach gewünscht, dass unser Pilot einen tschechischen Kampfjet abgeschossen hätte – sozusagen als Revanche für Temelín. Da wäre uns wahrscheinlich gar nichts anders übrig geblieben, als dem Piloten einen Orden zu verleihen. So schlecht ist das Image der USA Gott sei Dank noch nicht. Aber ehrlich gesagt, viel fehlt nicht mehr.


Bush: My dear Alfred, das kommt nur davon, dass die österreichische Regierung zu wenig amerikafreundlich ist.


Gusenbauer: Was mich persönlich betrifft, habe ich in der Frage ein völlig reines Ge- wissen. Ich habe erst unlängst einen Landsmann von Ihnen – der Name wird Ihnen wenig sagen – als Staatsoperndirektor vorgeschlagen. Aber meine eigene Ministerin hat mich, unterstützt von einigen Medien, im Regen stehen gelassen. Es ist traurig, aber wahr: Österreich ist auf dem besten Weg in die Unregierbarkeit.


Bush: Aber Sie müssen doch wenigstens eine funktionierende chain of command haben. Es ist für mich unvorstellbar, dass der Chef Ihrer Luftwaffe nicht eingeschaltet gewesen ist.


Gusenbauer: Unser Air-Chief ist leider gerade in gröberen Turbulenzen und vom Dienst suspendiert. Eine blöde Geschichte, aber damit will ich Sie nicht behelligen.


Bush: Und Ihr Verteidigungsminister?


Gusenbauer: Im Landesverteidigungsrat hat es ernsthafte Stimmen gegeben, dass der Verteidigungsminister oder der Innenminister die letzte Entscheidung treffen müssen. Haben sich aber nicht durchgesetzt. Der Verteidigungsminister hat gleich abgewunken mit dem Hinweis auf seinen Zivildienst, und der Innenminister hat dann halt auch nicht wollen. Reine Retourkutsche. Wie es in einer großen Koalition zugeht, kann sich ein amerikanischer Präsident ja gar nicht vorstellen. In Ihrer Regierung singen alle einfach „Hail to the chief“ – würde ich auch einmal gerne erleben.


Bush: Alfred, das ist doch nicht möglich, dass Sie einen Zivildiener als Verteidigungsminister haben? Der muss doch furchtbar unbeliebt bei der Truppe sein?


Gusenbauer: Stört uns aber gar nicht. Er zitiert immer einen früheren römischen Kaiser: „Die Menschen sollen mich ruhig hassen, solange sie mich nur fürchten.“


Bush (lacht): Mein alter Kumpel Silvio wie er leibt und lebt.


Gusenbauer: Ist nicht von Berlusconi, sondern von Caligula .


Bush: Nie von dem gehört. Aber ein amerikanischer Präsident kann nicht alle tollen Italiener kennen. Senden Sie mir doch bitte das Zitat mit genauer Quellenangabe. Kann ich wahrscheinlich noch einmal brauchen.


Gusenbauer: Stets zu Diensten, Georgie!

 

 

DDr. Bernhard Görg war Top-Manager, 1992–2002 Obmann der ÖVP Wien und 1996–2001 Vizebürgermeister und amtsführender Stadtrat für Planung und Zukunft.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2007